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Carbon oder Aluminium – zeitgemäße Materialien für dein Fahrrad
Gerade sportliche Radfahrer legen nicht nur großen Wert auf die Optik ihres Rades, sondern auch auf die Punkte Tempo und Handling. Entscheidend für die gewünschten Eigenschaften sind moderne Technik und der Werkstoff. Du stehst vor der Frage, für welche Fahrradteile du welches Material wählen solltest? Die derzeit gängigsten Materialien – insbesondere für den Rahmen – sind Stahl, carbonfaserverstärkter Kunststoff beziehungsweise Carbon oder Alu. Wer häufig im sportlichen Bereich mit dem Fahrrad unterwegs ist, weiß ein leichtgewichtiges Fahrrad mit ausreichend Steifigkeit zu schätzen. Von den drei genannten Werkstoffen kann es dann nur noch um Carbon oder Alu gehen. Ebenso wie Stahl haben auch Carbon oder Alu ihre Vor- und Nachteile, die es näher zu betrachten gilt.
Was stimmt in Bezug auf Carbon oder Aluminium – und was nicht?
Jeder, der sich bereits mit dem Thema Carbon oder Alu auseinandergesetzt hat, hat vermutlich auch schon schlechte Beurteilungen gehört oder gelesen. Unter anderem gibt es immer noch Personen, die davon ausgehen, Carbon sei extrem empfindlich: Ein Sturz würde ausreichen, um das Fahrrad unbrauchbar zu machen. Richtig ist, dass es sich bei Carbon um Faserverbundstoff handelt, der andere physikalische Eigenschaften als Metall hat. Nach einem Sturz sollte ein Fachmann den Carbon-Rahmen mittels Computertomographie auf Schäden überprüfen. Ist kein gravierender Schaden vorhanden, ist üblicherweise eine Reparatur des Carbon-Rahmens möglich. Es stimmt nicht, dass nach einer festgestellten Beschädigung in jedem Fall der Rahmen ersetzt werden muss. Dies gilt selbstverständlich auch für andere Teile aus Carbon – etwa für Lenker, Sattelstütze oder Felge. Fakt ist aber leider, dass du einen feinen Haarriss, der schnellstmöglich repariert werden sollte, nicht mit dem bloßen Auge erkennen kannst.
Verschiedene Materialien, verschiedene Eigenschaften von Carbon oder Alu
Das Leichtmetall Aluminium dient unter anderem der Luft- und Raumfahrttechnik seit einigen Jahrzehnten als Werkstoff. Aluminium bringt nur etwa ein Drittel des Gewichts von Stahl auf die Waage. Für dieses Material sprechen die geringe Dichte(2,65-2,75 g/cm³) und überzeugende mechanische Eigenschaften. Während reines Aluminium Zugfestigkeiten von bis zu MPa (Megapascal)erreicht, können Aluminium-Legierungen bis zu 700 MPa vorweisen. Für die Bruchdehnung gilt ein Wert von 25 %. Die 0,2 %-Dehngrenze beträgt wenigstens 20 MPa; ausschlaggebend ist letztlich die Art der Legierung. Für Dehngrenze und Zugfestigkeit gilt, dass die Zugabe von Silicium, Magnesium und anderen geeigneten Elementen zu einer Erhöhung führt. Der Schmelzpunkt ist mit 660° C relativ niedrig. Aluminiumwerkstoffe sind sehr korrosionsbeständig. Die Materialeigenschaften bedingen eine gute Zerspanbarkeit, Schweißbarkeit und Lötbarkeit.
Carbonfaserverstärkter Kunststoff gilt als Hightech-Werkstoff. Dementsprechend findet auch er in anspruchsvollen Bereichen wie Raumfahrt, Luftfahrt und Windenergie Verwendung. Das Gewicht von Carbon beträgt lediglich 20 % des Gewichts von Stahl. Mit etwa 1,80 g/cm³ ist die Dichte niedriger als die von Aluminium. Hersteller von Carbonfasern geben die Zugfestigkeit mit 4,0-5,0 GPa (Gigapascal) an. Die Bruchdehnung liegt bei etwa 1,1-1,5 %. Abgesehen davon, dass Carbon korrosionsfrei ist, zeichnet es sich durch eine gute Säurebeständigkeit aus. Das Material reagiert kaum auf Wärme, was dem Materialerhalt zugutekommt.
Carbon oder Alu – Vergleich des Preis-Leistungs-Verhältnisses
Hauptkritikpunkt der Gegner von Carbon ist der teure Preis des Materials. Tatsächlich sind Fahrradrahmen, Sattelstütze und anderes aus Carbon zwei- bis dreimal teurer als aus Alu. Die Gründe für einen derartigen Preisunterschied sind das kostenintensive Rohmaterial und der aufwändige Herstellungsprozess (dazu später mehr). Diverse Testergebnisse belegen, dass Carbon-Rahmen für Dauerbelastungen besser geeignet sind als Aluminiumrahmen. Auf Druck reagiert Carbon jedoch sehr empfindlich. Sowohl das sehr geringe Gewicht als auch die hohen Steifigkeitswerte sprechen für Rahmen und Teile aus Carbon.
Aluminium weist ein gutes Verhältnis der Aspekte Gewicht, Steifigkeit und Preis auf. Rahmen aus Alu sind wesentlich leichter als Rahmen aus Stahl. Abgesehen von einer besseren Steifigkeit ist auch die Reaktionsfähigkeit eine bessere. Diejenigen, die beim Thema Carbon oder Alu sich für Ersteres entscheiden, bemängeln ein noch zu hohes Gewicht und zu wenig Fahrkomfort. Tatsächlich findest du durchaus hochwertige Alu-Rahmen, die weniger wiegen als ein preiswerter Carbon-Rahmen. Und moderne Alu-Rahmen haben ein gutes Maß mehr an Komfort zu bieten als Rahmen, die vor 20 Jahren hergestellt wurden. Allerdings gilt es mit dem Mythos aufzuräumen, es sei möglich, Rahmen aus Alu im Lauf der Zeit weich zu fahren.
So läuft die Herstellung von Rahmen aus Carbon oder Alu ab
Während es sich bei Aluminium um ein in der Erdkruste vorkommendes Element handelt, besteht das für Carbon-Rahmen und –Teile genutzte Material aus carbonfaserverstärktem Kunststoff(CFK). Das chemische Element Carbon(oder Kohlenstoff) muss um einen Verbundwerkstoff ergänzt werden. Üblicherweise bedienen sich die Hersteller von CFK eines Duro- oder Thermoplastes. Da Aluminium in der Natur nicht in reiner Form vorkommt, muss es aus Aluminiumverbindungen erst gewonnen werden.
Bis zum fertigen Alu-Rahmen
Um letztlich Fahrradrahmen und anderes aus Aluminium formen zu können, geht es zunächst darum, reines Aluminiumoxid zu erhalten. Zu diesem Zweck kommt das Bayer-Verfahren zum Einsatz. Das Ergebnis ähnelt weißem Sand. In Aluminiumhütten ist es möglich, durch die Schmelzflusselektrolyse Reinaluminium zu gewinnen. Für die Herstellung von Rahmen, Lenker, Laufrädern und Sattelstütze finden vor allem Legierungen mit folgenden Elementen Verwendung:
- Eisen
- Silicium
- Kupfer
- Magnesium
- Chrom
Wichtig ist, dass sich das Aluminium gut formen und/oder schweißen lässt. Zu den am häufigsten verarbeiteten Legierungen im Bereich der Fahrradproduktion zählen Al 6066 T6 und Al 6069 T6. Al-Legierungen der 7000er Serie haben etwas bessere mechanische Eigenschaften vorzuweisen, sind allerdings ein bisschen spröder. Scandium-Zusätze machen das Aluminium zwar teurer, bewirken jedoch eine bessere Materialqualität und höhere Festigkeit.
Geht es darum, Alu zu schweißen, ist ein guter Schweißer gefragt. Denn die Qualität der Verbindung der einzelnen Rohre ist entscheidend. Bindefehler kommen vor allem durch hohle oder feste Einschlüsse zustande. Ungünstige Schweißbedingungen wie kalte Zugluft können die Rissbildung begünstigen. Gerade im Fall möglichst dünner Wandstärken bietet sich nicht Schweißen, sondern das sogenannte Hydroforming an. Diese Innenhochdruckumformung (IHU) funktioniert, indem Flüssigkeit mit einem hohen Druck (bis zu 3.000 bar) in den jeweiligen Aluhohlkörper gepresst wird: Auf diese Weise nimmt der Hohlkörper aus Aluminium beispielsweise die Form eines Fahrradrahmens an. Resultat ist jedenfalls ein einteiliges Erzeugnis, das sehr fest ist. Da durch das Hydroforming Materialspannungen entstehen, ist zu guter Letzt eine optimal abgestimmte Hitzebehandlung erforderlich.
Einen Carbon-Rahmen herstellen
Für Carbon oder Alu als Werkstoff gilt: Es gibt unterschiedliche Qualitäten. Das Spektrum reicht von vergleichsweise günstigen High Tenacity (HT) Fasern bis zu High Modulus (HM) Fasern. Letztere kommen für steifere Rahmen in Betracht. Ausgangsprodukt für die Herstellung eines Teils aus Carbon sind Kunststofffasern, die mehrere Karbonisierungsstufen durchlaufen müssen. Nicht zuletzt die Temperatur während dieser Behandlungen entscheidet über Fasereigenschaften wie Festigkeit und Steifigkeit. Kunststofffasern aus Polyacrylnitril (PAN) machen durch die Karbonisierung eine Metamorphose zu Carbon-Filamenten durch. Die nächsten Schritte zu Rahmen, Lenker oder Sattelstütze aus Carbon sind das Bündeln und die anschließende Herstellung von Prepregs beziehungsweise Kohlefaser-Matten. Für die Verbindung der Faserbündel sorgt eine Bindersubstanz. Die Anordnung der Fasern erfolgt so, dass das künftige Produkt den Beanspruchungen bestmöglich standhält. Da Carbonfasern stets ausschließlich in Zugrichtung Steifheit aufweisen, entspricht die Anordnung einem Kreuzmuster. Dieses kommt auch dem richtigen Maß Flex zugute.
Beispiel für ein Carbon Fitnessbike *
Für die Herstellung von Rahmenrohren kommen drei verschiedene Techniken in Frage: das Monocoque-Verfahren, Tube-to-Tube-Verfahren oder Muffen-Bauweise. Am häufigsten findet das Monocoque-Verfahren Anwendung: Manuell werden Kohlefasermatten, die zuvor in Harz getränkt wurden, um mit Luft gefüllte Schläuche gewickelt. Nun wird die gewünschte Form darumgelegt. Die Luftschläuche drücken während des Backverfahrens (bei etwa 170°) die Matte mit hohem Druck in die Form. Nach dem Backen ist es möglich, die Schläuche durch die Öffnungen wie für Sattelrohr oder Steuerrohr herauszuziehen. Das Tube-to-Tube-Verfahren sieht die Fertigung einzelner Carbonrohre vor, die mithilfe von Spezialkleber zusammengefügt werden. Die Muffen-Bauweise beinhaltet das Zusammenfügen der einzelnen Rahmenrohre durch Muffen. Die Muffen-Bauweise ist in die Varianten vorgefertigte Muffen und nachträglich angebrachte Muffen zu unterscheiden. Die auf diese Weise zusammengesetzten Carbon-Leichtrahmen basieren auf nebeneinander angeordneten, mit Harz getränkten Carbonfasern (Unidirektional-Prepegs). Entscheidende Vorteile dieses Verfahrens gegenüber dem Monocoque-Verfahren sind leichtgewichtige Rohre mit homogener Wandstärke und eine verbesserte Steifigkeit.
Carbon oder Alu für dein Rennrad
Wer die Wahl hat, hat die Qual. Das gilt auch bezüglich Carbon oder Alu für die Teile an Fahrrädern. Gerade bei Rennrädern macht es zudem einen großen Unterschied, ob du Anfänger oder Fortgeschrittener bist. Auf jeden Fall solltest du dir sicher sein, dass das Fahren mit einem Rennrad ein langfristiges Hobby ist, bevor du womöglich einige Tausend Euro für ein Rad ausgibst. Keine Frage: bei einem Rennrad kommt diesen Punkten eine überragende Bedeutung zu:
- Beschleunigung
- Speed
- Fahrspaß
- Handling
Ein qualitativ hochwertiger Alurahmen ist einem Carbonrahmen der Schnäppchen-Kategorie zweifelsfrei vorzuziehen. Für moderne Alu-Rahmen gilt, dass sie zwar gute Steifigkeiten erzielen, aber hinsichtlich des Gewichtes die Führung an Carbon-Rahmen abgeben müssen; die Unterschiede betragen im Schnitt 300-400 Gramm. Du erreichst Dämpfungswerte für ein Carbon-Rennrad, die denen eines Alu-Rennrades kaum nachstehen, wenn du für Sattelstütze und Gabel ebenfalls das Material Carbon wählst. Da prinzipiell die Laufräder am ehesten gefährdet sind, Schaden zu nehmen, solltest du lieber auf die wesentlich günstigeren Alu-Laufräder zurückgreifen. Eine bessere Investition ist eine sehr gute Bereifung, die positive Effekte auf das Gesamtgewicht und auf die Performance hat. Anbauteile wie Sattelgestell, oder Flaschenhalter, die keinen Einfluss auf den Fahrkomfort haben, können ruhig aus Aluminium sein.
Was ist besser für dein MTB – Carbon oder Alu?
Bis vor etwa 15 Jahren hättest du dich gar nicht zwischen Carbon oder Alu für dein MTB entscheiden müssen. Es hieß, Carbonfasern wären zu instabil. Inzwischen konnte die Qualität von Carbon-Teilen erheblich verbessert werden, und du kannst durchaus auch unter stabilen Carbon-Mountainbikes wählen. Diese sind zwar immer noch teurer als Alu-Mountainbikes, aber der Preisunterschied ist nicht mehr gar so groß wie einst. Gerade bei Mountainbikes aus Carbon ist dringend vor scheinbaren Schnäppchen zu warnen, die eben nicht den gängigen Standards entsprechen, sondern als Fälschung zu bezeichnen sind. Das leichtere Gewicht eines Carbon-MTB gegenüber einem Alu-MTB ist von Vorteil, wenn es um Steigungen geht. Hinsichtlich Steifigkeit ist festzuhalten, dass ein MTB aus Carbon dynamisch fahren lässt, da es rascher auf deine Einwirkung über Lenker und Pedale reagiert als ein Alu-Mountainbike. Harte Schläge hingegen steckt das Alu-MTB besser weg als das Fahrrad aus Aluminium.
Dein neues Fitnessbike – aus Carbon oder Alu?
Da ein Fitnessbike Eigenschaften von Rennrad und Mountainbike in sich vereint, handelt es sich um ein Fahrrad, das du sowohl auf ebenen Straßen als auch auf unbefestigten Wegen fahren kannst. Abhängig davon, worauf du am meisten Wert legst, ist ein Fitnessbike aus Carbon oder Alu vorzuziehen. Wenn dir vor allem Geschwindigkeit wichtig ist, ist ein eher leichtes Speed Fitnessbike mit Carbon-Rahmen eine gute Wahl. Legst du mehr Wert auf hohen Fahrkomfort, bietet sich ein Rad der Kategorie Komfort Fitnessbike an. Hier ist wiederum Alu als Material für Rahmen, Lenker, Laufräder und Sattelstütze gut vertreten. Auch bei Fitnessbikes gilt: Carbon verschafft dir einen Gewichtsvorteil von einigen Hundert Gramm, aber du zahlst mindestens das Doppelte im Vergleich zu Teilen aus Alu. Ebenso wie die Fahrer eines Rennrads oder eines Mountainbikes musst du entscheiden, ob du bereit bist, für weniger Gewicht und bessere Steifigkeit mehr Geld auszugeben.
Beispiel für ein Aluminium Gravel Fitnessbike *
Fazit: Carbon oder Alu?
Die Frage nach Carbon oder Alu als Material für Fahrräder ist nicht pauschal zu beantworten. Wie du gelesen und vielleicht auch selbst schon festgestellt hast, haben beide Werkstoffe ihre Vor- und Nachteile. Die wichtigsten Eigenschaften sind nachstehend noch einmal zusammengefasst:
- Preis: Carbon ist nach wie vor deutlich teurer als Alu.
- Korrosion: Alu ist im Gegensatz zu Carbon nicht vollständig korrosionsfrei.
- Aluminium ist wesentlich robuster als Carbon.
- Carbon weist eine bessere Steifigkeit gegenüber Alu auf.
- Carbon bricht bei Überbeanspruchung, Aluminium verbiegt sich zunächst.
- Alu ist recyclebar, Carbon nicht.
Ob du Carbon oder Alu den Vorzug gibst, solltest du einerseits von deinem Budget und andererseits von deinen Fahrgewohnheiten und Wünschen abhängig machen. Mit einem Budget von bis zu 1.500 Euro findest du schon ein relativ gutes Alu-Rad. Im Fall von Carbon gilt, dass du durchaus das Dreifache zahlst. Bei der Frage „Carbon oder Alu?“ bedenke Folgendes: An einem hochwertig ausgestatteten Alu-Rad hast du mehr Freude als an einem Carbon-Bike voller Kompromisse.
Text by Textbroker.de
Beitragsbild: Photo by Jorge Ponce on Unsplash